Alaskan-Huskys „Vom Wilden Moor“
February 18, 2025 at 10:43 AM
Die Straße lesen
Die verschneiten Straßen Lapplands sind ein ganz besonderes Kapitel für sich. Sie erzählen Geschichten von Eis und Schnee, von Grip und Rutschpartien, und von der Kunst, diese Geschichten zu verstehen und daraus zu lernen. Ich habe schrittweise gelernt, die Straße zu "lesen", wie ein offenes Buch, dessen Seiten sich ständig verändern.
In Deutschland sind wir es gewohnt, dass die Straßen im Winter gesalzen werden. Hier in Lappland ist das anders. Hier wird, wenn überhaupt, Split gestreut. Dieser Split bietet zwar hervorragenden Halt, kann aber andererseits ganz schön herumwirbeln und sich in jeder Ritze festsetzen.
Der Schnee selbst ist ein faszinierendes Phänomen. Er kann uns viel über die Straßenverhältnisse verraten. Wenn er aufwirbelt, bedeutet das, dass er trocken und griffig ist. Vor allem bei Frost. Dann können wir auch etwas schneller fahren, 70 - 80 km/h, ohne Angst haben zu müssen, die Kontrolle zu verlieren. Aber Vorsicht: Der aufgewirbelte Schnee hinterlässt eine schmutzige Schicht auf dem Fahrzeug.
Wenn der Schnee jedoch nicht aufwirbelt, weil er zu nass oder festgefahren ist, dann kann es kritisch werden. Nasser Schnee bietet weniger Grip und kann tückisch sein. Vor allem, wenn es um den Gefrierpunkt oder darüber ist. In solchen Situationen ist es wichtig, die Fahrspuren anderer Fahrzeuge zu nutzen. Diese Spuren bieten oft mehr Sicherheit, besonders für große Fahrzeuge wie Rudi.
Eine besonders unangenehme Überraschung sind die Abschnitte, in denen sich das Eis in eine Art "Waschbrett"-Muster verwandelt hat. Diese Abschnitte können kilometerlang sein und das Fahrzeug ordentlich durchrütteln. Auch Rudi hat darunter gelitten. In Norwegen hatten wir sogar eine solche Strecke, die sich über fast 50 Kilometer zog! Das Fahren auf Waschbrett-Eis ist nicht nur unangenehm, sondern auch laut und strapaziert das Material.
Manchmal liegt der Schnee auch einige Zentimeter hoch auf der Straße, weil die Räumfahrzeuge noch nicht durchgekommen sind. In solchen Fällen braucht man Schwung, um durchzukommen. Anhalten kann gefährlich sein, besonders wenn es gleichzeitig schneit. Dann kann es passieren, dass man angeschleppt werden muss.
Die Landesstraßen, auch "Blaue Straßen" genannt, weil ihre Nummerierung auf blauem Hintergrund gedruckt ist, sind eine weitere Herausforderung. Sie sind oft nur so breit geräumt, dass zwei LKWs gerade so aneinander vorbeikommen. Beim Überholen muss man sich also sehr weit rechts halten. Und die entgegenkommenden LKWs werden in der Regel nicht langsamer. Wenn man selbst zu langsam ist und überholt wird, kann es brenzlig werden. Dann ist man auf die Kooperation des anderen Fahrers angewiesen. Und diese Kooperation wird oft eingefordert, denn Unfälle passieren hier schnell. Ach ja, wegen eines abgefahrenen Spiegels hält hier übrigens niemand an
Ich habe mich daran gewöhnt, die Straße aufmerksam zu beobachten und die Bedingungen richtig einzuschätzen. Ich habe gelernt, auf das Knirschen des Eises zu hören und zu erkennen, ob es brüchig oder steinhart ist. Manchmal bedeutet das, dass wir das Radio ausschalten und ganz genau auf Rudi hören müssen, wie er sich mit der Straße arrangiert.
Die Straßen Lapplands sind eine Herausforderung, aber auch eine Erfahrung, die uns gelehrt hat, die Natur und ihre Launen zu respektieren. Und so wie wir die Straße "lesen" gelernt haben, so hat sie uns auch gelehrt, geduldig und vorsichtig zu sein. Denn hier oben, im hohen Norden, bestimmt die Straße das Tempo.
(Auszug aus Teil 3 der Reihe: Mit 20 Huskys durch Europa)
Mit einem 👋 an Carsten für seine Inspiration.